Zweifellos eine der schönsten Wanderungen, wenn auch eine anstrengende, auf Teneriffa ist der Abstieg von Masca durch die gleichnamige Schlucht hinunter zum Meer. (2015)
In engen Kurven windet sich die Straße von Santiago del Teide hinauf zum Pass und auf der anderen Seite wieder hinab nach Masca und wieder hinauf zum Pass, um anschließend hinunter nach Buenavista del Norte zu führen. Kurz vor dem zweiten Pass steht ein halbrunder Flachbau mit Restaurant. Unter einem Sonnenschirm mit atemberaubendem Blick auf Masca lässt es sich wunderbar essen. Vorausgesetzt, das Restaurant wird betrieben. 2013 konnten wir den Blick und das Essen genießen. 2015 ist leider zu, auch wenn der Blick auf Masca genau so atemberaubend ist.
Unten in Masca stauen sich die Reisebusse. Selbst für einen kleinen Mietwagen ist kein Platz. Die Wanderung durch die Masca-Schlucht übt schon länger Anziehungskraft aus. Aber wie dort parken? Und wenn es klappt, muss man die Schlucht wieder hinauf? Mit öffentlichen Verkehrsmitteln? Und am Ende der Schlucht, am Meer, mit dem Schiff nach Los Gigantes? Wie organsiert man sich das alles in einem kurzen Urlaub?
Einfach zu viele Fragen. Zu viele Fragen bis uns ein Flyer in die Hände fiel. Aventura-Wandern verspricht perfekte Organisation.
Warum also nicht? Kostet zwar was, aber schließlich hat man Urlaub. Ein Handicap gibt es allerdings noch. Um mitgenommen zu werden, braucht man knöchelhohe Wanderschuhe. Die stehen gut verwahrt im heimischen Schrank.
Die Agentur bietet uns Leihschuhe an. Wir sehen uns schon mit Blasen an den Füßen auf der Hälfte der Distanz zusammenbrechen. Angela und Jörg, die aus Dresden stammenden Inhaber der Agentur, beruhigen uns. Die Schuhe seien zwar nicht neu, aber gut eingelaufen und desinfiziert. Wir könnten unter mehreren Paar wählen. Also gut. Wird schon schiefgehen. So haben wir gebucht. Und um es vorwegzunehmen: Die Füßen sind auch nach der Wanderung noch in Topform.
Eigentlich klingt alles ganz einfach. Start in 600 Meter über dem Meerespiegel, dann immer bergab bis zum Meer, zirka fünf Kilometer, vier Stunden.
Als Stadtmenschen proben wir vorsichthalber ein paar Tage zuvor das Laufen auf Bergpfaden, an der Küste entlang von Puerto de la Cruz nach San Pedro – Lokal mit Aussicht. Geht ganz gut, wenn auch schweißtreibend, aber schließlich geht es auf- und abwärts. Einfach nur bergab in der Masca-Schlucht sollte doch kein Problem sein.
Die Entscheidung, einen professionellen Anbieter zu nutzen, erweist sich in vielerlei Hinsicht als Glückstreffer.
Der Tag beginnt zeitig, 6 Uhr klingelt der Wecker, Frühstück, an der Rezeption ein Taxi zum Busbahnhof bestellt. Das kommt nur wenig später. Schließlich sind wir gut eine halbe Stunde zu früh da. Aber entlang der Bushaltestellen reiht sich Café an Café, alle um 7.15 Uhr offen. Wir nehmen die Möglichkeit wahr, noch einen Kaffee beziehungsweise ein Wasser zu trinken. Um die Zeit herrscht bereits Betrieb. So kann man mit einem eigenen Kaffee in der Hand ein paar Beobachtungen anstellen. Ein Mann im feinen Zwirn setzte sich mit einem Kaffee hin und klappt seinen Laptop auf. Eine junge Frau mit einem Baby auf dem Arm holt sich schnell noch einen Kaffee zum Mitnehmen, ehe ihr Bus fährt. Ein ältere Dame lässt sich zum Kaffee ein Gebäckstück geben – vielleicht ihr Frühstück. Fünf oder zehn Minuten – länger hält sich keiner auf, mal abgesehen von der älteren Dame und uns.
Pünktlich um 7.45 Uhr taucht unser Wanderführer Jörg auf, zusammen mit seiner Frau Angela. Auf einer kleinen Steinmauer reihen sie Wanderschuhe auf. Gleich jeweils das zweite Paar passt uns wie angegossen.
Mit einem Linienbus geht es bis nach Buenavista del Norte, umsteigen in einen anderen Linienbus, der uns bis hinauf nach Masca fährt. 13 Leute mit Wanderleiter Jörg, 55. Seit acht Jahren leben er und seine Frau auf Teneriffa und betreiben eine Wanderagentur mit verschiedenen Angeboten (www.aventura-wandern.de).
Laut Jörg hat Masca etwas über 80 Einwohner, aber jährlich eine Million Touristen. Allerdings sind die meisten Bustouristen, die einfach nur das sich sozusagen über mehrere Etagen hinziehende Dörfchen angucken und wieder abziehen. Es gibt viele Restaurants, die sind entsprechend voll, wenn die Busse kommen. Aber so gegen 10 Uhr, als wir ankommen, herrscht noch Ruhe vor dem Sturm. Und wir können in einem deutsch geführten Restaurant auf einer wunderbaren Terrasse mit tollem Blick auf die Berge bis hinauf zum Pass sitzen und noch einen Kaffee trinken.
Dann geht es gegen 10.30 Uhr los. Parallel zu unserer Gruppe sind noch zwei drei unterwegs, dazu ein paar Leute in Familie. Merkwürdigerweise sogar mit kleinen Kindern in Sandalen, total ungeeignetes Schuhwerk. Aber sie kommen schließlich auch unten an.
Jörg ist ein aufmerksamer Führer, mahnt immer wieder bei kurzen Pausen zum Trinken, erzählt über Pflanzen und Natur.
Wir bewegen uns über Stock und Stein, Geröll, schmale Felspfade und immer abwärts. Nach rund einer halben Stunde ist mein T-Shirt durchgeschwitzt. Die Sonne steht fast senkrecht über uns und lässt trotz der steilen Felswände kaum einen Schatten in der Schlucht. Mit Sicherheit sind es weit über 30 Grad. Selbst dort, wo die 600 Meter hohen Felswände auf 30 Meter zusammenrückten, lässt sich kaum ein Schattenplätzchen finden. Aber die Schlucht ist sensationell. Rundum die riesigen Felswände, immer wieder kleine Aus- und Rückblicke auf die Natur machten die Anstrengung wett.
Nach vier Stunden haben wir es geschafft und sind am Meer.
An zwei Ständen bieten junge Frauen Fahrkarten für die Boote nach Los Gigantes an. Ein Kerl mit Fellschurz sitzt unter einem Sonnenschirm, zu seinen Füßen eine riesige Kühlbox. Eisgekühltes Bier, Cola und Limo sind darin, haben aber auch ihren Preis: 2,50 Euro pro Büchse mit einem Drittelliter Getränk. Aber der Absatz florierte, obwohl wir unterwegs reichlich getrunken haben. Aber ein Bierchen nach dem Marsch ist schon was Schönes.
Hier gibt es auch die Möglichkeit zu einem erfrischenden Bad, zu dem ich gar nicht erst das total durchgeschwitzte Shirt ausgezogene habe.
Mit einem kleinen Boot, das gerade eben die 13 Leute fasst, fahren wir vorbei an den riesigen Klippen Los Gigantes, die 500 Meter steil zum Meer hinab fallen, zum Ort Los Gigantes.
In Los Gigantes ist noch Zeit für ein Eis bei einer Schweizer Familie. Jörg dirigiert seine Gruppen wohl stets dorthin, wie schon bei dem Restaurant in Masca.
Mit dem Linienbus rollen wir über die Berge nach Santiago del Teide und weiter über das Gebirge zurück nach Puerto. Gut zwölf Stunden nach dem Verlassen sind wir wieder in unsere Ferienwohnung. Oh, das war nicht von schlechten Eltern! Die 600 Meter Höhenunterschied sollten auch noch drei Tage später als Muskelkater in den Oberschenkeln zwicken.