Vor drei Jahren haben Archäologen im Gelände für die Erweiterung des Tagebaus Schleenhain im Landkreis Leipzig einen gut erhaltenen mehr als 7000 Jahre alten Brunnen ausgegraben und erforschen ihn seitdem. Zahlreiche Funde konnten darin gemacht werden. (2017)
Das wäre die Sensation schlechthin. Harald Stäuble, Referatsleiter im sächsische Landesamt für Archäologie hofft auf einen ganz bestimmten Fund in dem mehr als 7000 Jahre alten Brunnen, der vor drei Jahren im Vorfeld Peres des Tagebaus Schleenhain, den die Mitteldeutsche Braunkohlegesellschaft (Mibrag) betreibt, ausgegraben wurde. Stäuble ist überzeugt, dass jene Menschen, die den Brunnen gebaut haben, in der Lage gewesen waren, auch Räder zu bauen und so über Handwagen oder Schubkarren ähnliche Transportmittel verfügt haben. „Sie hatten die Fähigkeit dazu, da bin ich mir sicher“, sagt der Archäologe. Die Annahme stützt sich auf andere Funde, die zwar nicht in diesem Brunnen, aber einem schon zuvor in Altscherbitz bei Leipzig geborgenen gemacht wurden. Kreisrunde Steine mit Loch in der Mitte sind das zum Beispiel.
Noch haben die Archäologen gut 1,20 Meter Brunnentiefe vor sich, in der sich noch manches Stück verstecken kann, wie eben ein hölzernes Rad. Die Sensation daran wäre, dass damit ein Stück Geschichte neu geschrieben werden müsste. „Bislang geht man davon aus, dass Räder etwa 4000 vor Christus erfunden wurden“, sagt Stäuble. Aber der Brunnen aus dem Tagebauvorfeld wäre gut 1000 Jahre älter. Dendrologen haben die Stämme, aus denen die Brunnenwand gefertigt ist, auf das Jahr 5134 vor Christus datiert. In dem Jahr wurden sie geschlagen und mit Sicherheit auch innerhalb kurzer Zeit verwendet.
Vorerst müssen sich die Archäologen aber in Geduld üben und sich mit dem begnügen, was sie bislang gefunden haben. Und damit sind sie alles andere als unzufrieden. Vor wenigen Tagen erst tauchten in der Erde, die die Brunnen gefüllt hat, komplett erhaltene Gefäße auf. Sie sind so gut erhalten, dass die kunstvollen Verzierungen darauf klar zu erkennen sind. Was die sogenannten Linienbandkeramiker in der Jungsteinzeit in die Gefäße geritzt haben, hat die mehr als 7000 Jahre wunderbar überdauert.
Stäuble und Projektleiterin Saskia Kretschmer gehen davon aus, dass die Kumpfe – wie die bauchigen Gefäße genannt werden – bewusst in dem zu der entsprechenden Zeit nicht mehr genutzten Brunnen deponiert worden sind. Zwar ist bislang unklar zu welchem Zweck, aber die Annahme stützt sich auf bekanntes Wissen, dass derartige Gefäße nicht zum Wasserschöpfen benutzt worden sind. Damit schließen die Archäologen aus, dass sie zufällig in den Brunnen gefallen sein könnten.
Anders verhält es sich da schon mit einem Beutel aus Rindenbast, der während der Freilegung des Brunneninhalts jetzt gefunden worden ist. Solche Beutel wurden nach Meinung der Archäologen sehr wohl genutzt, um Wasser zu schöpfen. Die noch zu Teilen in der Erde steckenden zwei Kumpfe und der Bastbeutel werden am 10. September 2017, dem Tag des offenen Denkmals, erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. Von 10 bis 15 Uhr besteht die Gelegenheit, dass Besucher die Funde in Augenschein nehmen können. In der ehemaligen Gewerbehalle in Großstolpen bei Groitzsch im Landkreis Leipzig, wohin der 30 Tonnen schwere Erdblock mit dem Brunnen 2014 gebracht wurden war, befindet sich bereits seit zwei Jahren eine Begleitausstellung, die über die Brunnenfunde in Sachsen informiert.
Die Bauweise der Brunnen hat schon dazu beigetragen, das Geschichtsbild über bestimmte handwerkliche Fertigkeiten und Möglichkeiten neu zu definieren. Die Art und Weise wie die Spaltbohlen aus Eichenholz für die Brunnenwand verschränkt und mit Zapfen verbunden wurden, hatte man bis vor wenigen Jahren Handwerkern aus dem 11. Jahrhundert nach Christus zugeordnet.
Zu verdanke ist all das der Tatsache, dass die in den letzten Jahren entdeckten Brunnen mehr als 7000 Jahre im Wasser beziehungsweise in stets nasser Erde gestanden haben. Dadurch wurde das Holz konserviert und so die Möglichkeit erhalten, dass Dendrologen – also Baumkundler – das Alter so exakt bestimmen konnten. Gleichzeitig hat die Feuchtigkeit auch andere Dinge konserviert. Archäologe Stäuble spricht von einer Sedimentfalle, die nun durch die Funde von gut erhaltenen Pflanzenresten, Samen und Pollen auch Aufschluss darüber gibt, welche Pflanzen die Menschen vor mehr als 7000 Jahren genutzt und angebaut haben.
Zu den spektakulären Funden gehörte bereits das gut erhaltenes Skelett eines Jungtiers. Vor einem Jahr nahm man an, dass es sich um ein Schaf oder eine Ziege handelte. Mittlerweile steht nach einer Untersuchung, die eine Archäozoologin vorgenommen hat, fest, dass es sich um ein Rehkitz gehandelt hat. Genetische Untersuchungen haben das parallel bestätigt. Aber auch hier bleibt unklar, wie das Tier in den Brunnen geriet. Definitiv nicht zufällig, sagen die Archäologen.
Zirka noch ein Jahr lang werden sich die Archäologen Millimeter um Millimeter durch das Erdreich zwischen den hölzernen Brunnenwänden kratzen und graben, ehe sie die Brunnensohle erreicht haben. Da bleibt Hoffnung auf weitere Funde, auch wenn letztlich wie im Falle des Tierskeletts womöglich nicht alle Geheimnisse gelüftet werden können.