Island – ein Hochlandabenteuer

Nach der Tour rund um die Insel folgte drei Jahre später die Tour quer über das Hochland Islands. Im Geländewagen ging es mehr als 3000 Kilometer kreuz und quer über die Hochlandpisten . (gefahren 2007, geschrieben 2008)

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Irgenwo hier müssen wir hindurch. Eine Flussdurchfahrt nahe einem Wasserfall ist schon gewöhnungsbedürftig

Der Geländewagen steckt die Dellen und Steine in der Piste ebenso mühelos weg wie die erkalteten Lavastrukturen, große Pfützen und wadentiefe Sandflächen. Im Abstand von nur wenigen Metern wechselt der Untergrund, Kurve reiht sich an Kurve. Und dann kommt er, der erste Wasserlauf, der den Weg kreuzt. Einer von vielleicht 200, die in den nächsten Tagen noch folgen sollen.

Gute 20 Meter breit ist das Flüsschen. Die Tiefe ist nicht absehbar. Lediglich die Reifenspuren auf beiden Seiten der Furt zeigen: Hier sind schon anderen rein- und auf der anderen Seite wieder herausgefahren. Zehn Meter weiter rechts stürzt der Fluss mit lautem Getöse über felsiges Gestein zehn Meter in die Tiefe. Es ist wie bei so vielem im Leben, das erste Mal ist es am schwersten.

Wir halten an und steigen aus, schauen uns den Wasserfall an und rätseln dann, wie man wohl am intelligentesten die Furt durchquert. Gerade durch, oder im Bogen rechts oder im Bogen links. Die Reifenspuren im groben Kies scheinen alle Varianten zuzulassen.

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Die kleineren Wasserdurchfahrten waren zum Eingewöhnen.

Hinter uns brummt ein starker Motor. Ein Geländewagen der Ranger hält. Der Fahrer lässt die Seitenscheibe herunter. Er fragt wohin wir wollen. Wir nennen das Ziel. Er nickt und gibt Gas, langsam rollt der Wagen bis an die Oberkante der Reifen ins Wasser eintauchend durch den Fluss. Dann stoppt er kurz, der Fahrer winkt uns zu und verschwindet hinter dem nächsten Felsen. Wir merken uns den Weg und fahren nur wenige Minuten später hindurch.

Unter den Reifen unseres Wagens knirscht Kies, man muss ein wenig gegen die Strömung lenken. Der Allradantrieb zieht den großen Geländewagen, der zwei Wochen lang tagsüber so etwas wie unser Zuhause sein wird, kraftvoll auf der gegenüber liegenden Flussseite hinaus. Das Hochlandabenteuer in Island hat begonnen.

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Mitten im Hochland entspringen heiße Quellen, in denen man bei 40 bis 45 Grad Wassertemperatur baden kann.

Auf der Hochlandpiste Kjölur geht es mitten hindurch zwischen den beiden großen Gletschern Hofsjökull und Langjökull. Das graue Band des Fahrweges ist kaum weiter als 50 bis 100 Meter zu erkennen, obwohl es taghell ist. Die Fahrspur vereint sich mit der grauen Masse von Lavastaub. Immer wieder schauen wir gespannt, ob nicht ein Wegweiser auftaucht, der uns mitten in dieser kühlen Wüste mit weniger als zehn Grad über dem Gefrierpunkt zur heißen Quelle Hveravellir leiten soll.

Letztlich ist er nicht zu übersehen, weil nur wenige „Straßen“ die Hauptpiste verlassen. Was ist das für ein Gefühl, sich in das etwa 40 bis 45 Grad warme Wasser zu legen, während außerhalb des natürlichen Pools die Menschen in dicken Winteranoraks umherlaufen, um ein paar Schritte oberhalb die kochenden und nach Schwefelwasserstoff stinkenden Schlammlöcher zu besichtigen, oder die Minigeysire und die kleinen Vulkanen ähnelnden Dampfspeier. Wenige Schritte daneben betreibt Erik eine kleine Cafeteria. Der Kaffee ist gut und kostet für isländische Verhältnisse auch nicht viel. Obwohl die Sonne scheint, ziehen wir uns in unseren Geländewagen zurück, weil draußen ein scharfer Wind pfeift und die Plätze in der Cafeteria besetzt sind.

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Ein Wintertag im isländischen Sommer am Vulkan Askja, fast ohne Sicht.

Nach 300 Kilometern auf den steinigen oder staubigen Pisten mit den zahlreichen querenden Wasserläufen ist man irgendwie froh, wieder in die Küstenniederungen zu kommen. Es gibt noch ein Bier auf der mit 15 Grad beinahe üppig warmen Holzterrasse des Quartiers für eine Nacht und einen traumhaften Sonnenuntergang kurz vor Mitternacht. Einen Tag lang wird uns der Weg über Asphaltstraßen führen bis hinein in eins der landschaftlich reizvollsten Gebiete rund um den Myvatn, den Mückensee, eingerahmt von Bergen vulkanischen Ursprungs, dem riesigen Aschekrater Hverfall, verziert mit bizarren Basaltformationen und als I-Tüpfelchen das schönste Naturbad der Insel.

Bester Ausgangspunkt für Wanderungen und für die Tour zum Vulkan Askja. 120 Kilometer trennen ihn vom nächstgelegenen Asphaltband. 120 Kilometer wieder über Staub und Lava, durch Flüsse. Der Weg steigt stetig an. Doch das reicht, um rund 1000 Höhenmeter zu überwinden, und das macht im isländischen Sommer den Unterschied zwischen einem mitteleuropäischen Frühlings- und einem Wintertag aus.

Auf halber Strecke gibt es eine Umleitung, denn die übliche Furt ist offenbar zu tief. Steine markieren die ein paar hundert Meter lange Umleitungsstrecke zur nächsten Furt ein Stück flussaufwärts. Eine Ahnung, wie es wohl an der Durchfahrt ein Stück flussabwärts aussehen könnte, bekommen wir, als sich der Wagen mitten im Wasserlauf weit auf die rechte Seite neigt. Der sandige Untergrund gibt nach, die Reifen malen, nur nicht zu viel Gas geben, gleichmäßig fahren. Doch Allradantrieb und Geländegang des Automatikgetriebes tun ihre Pflicht. Auf der anderen Seite steht 50 Meter weiter hinter einer Biegung ein Traktor mit riesigen Reifen. Wie beruhigend …

Irgendwann geht es für das Auto nicht mehr weiter. Wir parken im knöcheltiefen Schnee und machen uns mit einer Reihe anderer Islandfreunde – weiß der Kuckuck, wo die angesichts der leeren Hochlandpisten alle herkamen – auf den Weg zum Viti-Krater an der Askja. Ein strammer Wind peitscht Eisregen über die verschneite Hochebene. Man kann nur 100 Meter weit sehen. Der eigentlich atemberaubende Anblick des Kraters mit seinem heißen Wasser gerät zum verschwommenen Bild.

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Hundert Kilometer Sicht.

Was uns entgangen ist, wird einen Abend später deutlich, als über riesigen Teilen des Hochlandes wolkenloser Himmel herrscht und vom Myvatn aus der Blick gute 100 Kilometer bis zu den glänzenden Schneeflächen des Gletschers Hofsjökull reicht. Doch noch einen Tag für einen zweiten Versuch haben wir nicht. 120 Kilometer übers Hochland sind auch für den Geländewagen gute vier Stunden Fahrzeit.

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Landmannalaugar besticht mit seinen bunten Bergen. Allerdings wissen das viele, die nach Island kommen. Im Kerngebiet gibt es einen großen Campingplatz, aber auch heiße Quellen, die zum Bade laden.

Doch wir ahnen, dass wir noch einmal entschädigt werden sollen. Landmannalaugar heißt das Zauberwort. Jene beinahe sagenhaft anmutende Landschaft nahe Islands grötem Gletscher Vatnajökull. Schwarze wüstenähnliche Lavasand-Flächen, die schon ein bisschen Sonne so aufheizt, dass man im T-Shirt spazieren gehen kann, wechseln mit grünen Graslandschaften, die wiederum in von unzähligen Wasserläufen durchzogenen felsige Ebenen übergehen, alles eingerahmt von bunten Bergen. Rot und grün und bläulich und antrazit schimmernde Gesteinsschichten sind von sandfarbenen Flächen und Adern durchzogen. Im Zentrum des Gebiets wieder heiße Quellen, die zum Bad einladen, daneben ein ziemlich großer Campingplatz, hunderte Menschen. Sind wir nicht eben noch durch vollkommene, zauberhafte Leere gefahren? Deutsche, Portugiesen, Franzosen, Russen, Amerikaner – die halbe Welt scheint sich hier zu treffen.

Und nur wenige Kilometer weiter ist man wieder allein, passiert steile Auf- und Abfahrten, wieder Wasserläufe und landet an der Elgdja-Schlucht, der weltgrößten Eruptionsspalte, die sich dutzende Kilometer in die Berglandschaft Richtung Gletscher hineinzieht, sanft ansteigend. Wie gemacht für eine Wanderung, wenigstens bis zu einem der bizarren Wasserfälle, die es zu Hunderten auf Island gibt.

Noch einmal geht es ein Stück hinein ins Hochland. Das Gebiet Pösmörk führt noch einmal über sandige und steinige Pisten und durchs Wasser. Der Weg endet scheinbar im Fluss, der hier auf gut 300 Meter die Trasse überschwemmt hat. Das Ende ist nicht absehbar. Einer macht sich über Fels und tundraartige Flächen zu Fuß auf, um das Wasserhindernis zu begutachte. Es erweist sich augenscheinlich als harmlos. Die Durchfahrt bestätigt das.

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Hier ist der Eingang in das Gebiet Pörsmörk – auch Busse schaffen den Weg dorthin.

Einige Stunden später nach einem Abstecher zum Gletscher, aus dem das Wasser stammt, sind wir auf dem Weg zurück. Der Weg ist noch immer überschwemmt. An der gegenüberliegenden Seite stehen mehrere Autos, Leute schauen auf das Wasser, scheinen nicht weiter zu wissen. Neulinge im Hochland? Wir geben Gas, das Wasser spritz rechts und links von uns meterhoch zu Seite. Die letzte Wasserfahrt wird zur Show. Islands Hochland macht Spaß und ein bisschen verrückt.