Es ist die Sonnenseite der USA, zwölf Monate im Jahr eine warme Badewanne am kilometerlangen Strand, ein Einkaufsparadies, ein Eldorado schriller und lauter Nachtklubs – Miami Beach. (2003)
„Noch in diesem Jahr ist Schluss“, sagt Hilario mit allem Nachdruck. Der junge Italiener, der im Club „Nikki Beach“ gleich am Strand von Miami Beach im sonnigen Florida die Gäste bedient, will endlich seinen Traum wahr machen. „Ich habe lange genug gekellnert, nun will ich mein eigenes Restaurant.“
Und er träumt von Mallorca, den Kanarischen Inseln oder einem anderen Ferienparadies in den warmen europäischen Gefilden.
Einer von vielen Träumen, für die in der riesigen Metropole Platz ist, in der die Städte Miami, Miami Beach und Coral Gables nahtlos in einander übergehen. Keinerlei Schild trennt die einzelnen Teile des urbanen Schmelztiegels voneinander.
Hilario ist davon überzeugt, dass er sich seinen Wunschtraum erfüllen kann. Gespart habe er genug, um den Start zu wagen, meint er. Schließlich hätten andere es auch geschafft.
„Man kann alles, wenn man es richtig will“, sagt auch Madeleine überzeugt. Sie hat sich ihren Traum vor vier Jahren erfüllt: einen Second-Hand-Shop. Nicht einen der üblichen An- und Verkaufsläden, sondern ein Geschäft nach ihrer Vorstellung. Am Biscayne Boulevard steht jetzt „Madeleine’s Vintage and Clothing Warehouse“ in der Größe eines mittleren Supermarktes.
Kleider, Puppen, Geschirr, Möbelstücke, Spiegel, Döschen, Schmuckstücke aus zwei Jahrhunderten laden zum Stöbern. Kein Platz für den schnellen Einkauf. Aber auch keiner nur für Leute mit dicker Geldbörse.
Die braucht man eher in den sündhaft teuren Einkaufsmeilen wie Village of Merrick Park oder Aventura Mall. Doch genau so viel Spaß macht es, durch die ebenso klimatisierten Läden der Lincoln oder Collins Road zu streifen. Hier wie da vergisst man die laute, schrille und feucht-heiße Atmosphäre von Miami Beach, wo sich besonders am Wochenende Tausende und Abertausende Einheimische und Touristen am kilometerlangen Strand tummeln.
Nur am Morgen, wenn die Sonne aus dem zu allen Jahreszeiten warmen Wasser des Atlantiks auftaucht, ist es noch leer am Strand. Die Boys vom Liegenverleih schließen gerade die Ketten auf, mit denen die Strandmöbel gesichert waren. Papierkörbe werden geleert, Müll aufgelesen. Jogger laufen ihre Meilen vor der Kulisse der Hotels am Ocean Drive.
Frühaufsteher lassen sich von sanften Wellen wiegen. Liza und Carl beginnen jeden Morgen mit einem warmen Bad. Zumindest von Ende September bis März oder April. Der US-Staat Maine im äußersten Norden der Ostküste ist ihr Zuhause. „Aber da ist es uns im Winter zu kalt“, sagt Carl, bis zum Hals im Wasser stehend. Eine halbe Stunde lang macht er immer mal ein paar Schritte hin und her, sozusagen als Frühsport.
Immer hat das Paar geträumt, die „hässliche“ Jahreszeit unten in Florida verbringen zu können, meint der Mittsiebziger, der früher Versicherungen verkauft hat. Nun haben sie es geschafft.
Die Monate, die der Mitteleuropäer Winter nennt, sind die schönsten in Miami, bestätigt Gunter. Der in Deutschland geborene Farbige betreibt eine Agentur, die mit ihren klimatisierten Kleinbussen Touristen zur Stadtrundfahrt kutschiert, und spricht ein herrliches Deutsch mit amerikanischem Akzent hessischer Färbung.
Besonders schön sei es im März oder im November, weniger feucht, weniger heiß und das Meerwasser schön warm. Der Kleinbus rollt über die drei-, vier-und fünfspurigen Autobahnen; kreuzungsfrei und manchmal in drei oder vier Etagen schwingen sie sich über ganze Stadtviertel hinweg.
Keine zwei Meilen auseinander liegen – gemessen am Pro-Kopf-Einkommen ihrer Bewohner – die ärmste und die reichste Gemeinde der USA. Miami gilt als amerikanisches Schlusslicht; Fisher Island als Spitzenreiter.
Mit ihren 600 Eigentumswohnungen, in denen Promis wie Barbara Becker oder Pete Sampras residieren, und dem Hotel „The Inn of Fisher Island“ liegt die nur per Fähre erreichbare Insel abgeschirmt und selbstverwaltet vor der Küste von Miami Beach. Hinüber kommt nur, wer dort wohnt, arbeitet oder sich eine 850 Dollar teure Nacht im Hotel leisten kann.
Infrarotsensoren tasten die Uferlinie ab, die ein Jogger in einer halben Stunde ablaufen kann. Ungebetene Besucher werden gebeten, wieder zu verschwinden.
Hotelmanager Heiko weiß, was seine Gäste und die Inselbewohner an dem Fleckchen Erde schätzen: Hoch bezahlte Ruhe und keine lästigen Fotografen. Da bedarf es schon einer Sondergenehmigung und des Versprechens, keine Menschen zu fotografieren, um auf der Insel ein Paar Aufnahmen machen zu dürfen.
Der Deutsche aus dem Harz hat sich die Hotellerie-Leiter über Moskau und New York hinauf nach Fisher Island gearbeitet. „Das ist mein erfüllter Traum“, sagt er und strahlt. Hier könne er sich vorstellen, nach zwei Jahrzehnten unsteten Lebens zu bleiben. Höchstens träume er noch von Dubai, wenn von dort ein Angebot käme . .